Am Montag den 29. April. 2019 : Die Gentechnik in der Landwirtschaft hatte in den vergangenen 30 Jahren in Amerika und Teilen Asiens katastrophale Folgen für die Umwelt, die Menschen und Strukturen in der Lebensmittelproduktion. Europa hat sich bisher weitestgehend dagegen entschieden. Es ist so nicht nur Zukunftsmodell für eine gentechnikfreie Landwirtschaft geworden, sondern auch weltweit geachtetes Vorbild der Demokratie: Hier kann sich die Mehrheit gegen die Partikularinteressen der Großindustrie durchsetzen.
Seit 2012 wurden neue, mächtige Technologien wie CRISPR-Cas entwickelt, die die Möglichkeiten bei der Veränderung des Genoms von Lebewesen vervielfacht haben.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass auch sie unter das europäische Gentechnikrecht fallen und deren freier Anbau damit in der EU verboten ist. Die Agrarindustrie und Teile von Politik und Wissenschaft wollen die neuen Technologien nun nutzen, um die Gentechnikdebatte in Europa wieder aufzurollen:
Genmanipulierte Pflanzen und Tiere sollen ohne den Zulassungsprozess und ohne Kennzeichnung auf die Felder und unsere Teller kommen.
Was es mit den neuen Technologien auf sich hat, welche Gefahren oder Chancen sie bringen und wie der Stand der politischen Debatte ist, berichtet Karl Bär Referent für Agrar- und Handelspolitik vom Umweltinstitut München auf Einladung des Aktionsbündnisses Giftfrei im 3Ländereck e.V. im Franziskussaal des Klosters am Engelplatz in Miltenberg.
Fast alle unsere Lebensmittel kommen bei der Herstellung mehr oder weniger oft mit Pestiziden in Berührung – ein Apfel im Schnitt 31 Mal. Johann Zaller hat ein Buch zum Thema geschrieben. Am Mittwoch und Donnerstag kommender Woche spricht er bei Veranstaltungen in Miltenberg und Wertheim über das Thema „Unser täglich Gift – Pestizide. Die unterschätzte Gefahr“. Eingeladen hat das Bündnis „Giftfrei im Dreiländereck“.
Zaller ist Kritiker der massenhaften Verwendung von Pestiziden, deren Zulassungsvoraussetzungen er für viel zu lasch hält. Der Verbraucher habe außerdem kaum eine Möglichkeit, den verwendeten Chemiekaliencocktails zu entkommen. Wer eine Tiefkühlpizza esse, dazu ein Glas Wein trinke und als Nachtisch einen Apfel verzehre, könne theoretisch in Kontakt mit bis zu 1200 Pestiziden kommen, denn so viele sind in Deutschland und Österreich zur Produktion der Inhaltsstoffe zugelassen. Im Interview spricht Zaller über drohende Gefahren und Lösungsmöglichkeiten.
Ein englisches Sprichwort sagt: „An apple a day keeps the doctor away“ – also: Wer täglich einen Apfel isst, bleibt gesund. Warum sehen Sie das anders?
Es kommt drauf an, woher der Apfel kommt. Aus dem eigenen Garten oder dem biologischen Landbau würde ich das unterschreiben, aber bei intensiver Produktion sollte man vorsichtig sein. Man muss allerdings die Kirche im Dorf lassen: Die Reste von Pestiziden, die man auf dem Produkt findet, sind sehr niedrig. Allerdings werden bei Tests zu gesundheitlichen Auswirkungen immer nur Einzelstoffe berücksichtigt und nicht das ganze Sammelsurium an Stoffen, das da drauf kommt. Wir wissen überhaupt nicht, was diese Kombinationen beim Menschen anrichten. Einige Studien mit Labortieren belegen, dass manche Pestizide schon in sehr niedriger Konzentration – selbst tausendfach unterhalb der Grenzwerte – gravierende Auswirkungen haben können.
Löst der Mensch das Problem, indem er sein Obst wäscht?
Waschen hilft nur bedingt, haben Studien ergeben. Denn systemische Mittel verteilen sich in der ganzen Pflanze, von der Wurzel bis zur Blüte – und auch in den Früchten. Selbst mit dem Schälen eines Apfels würde man zwar die Kontaktgifte entfernen, nicht aber die systemischen Mittel.
Sie kritisieren, dass die Hersteller ihre Chemikalien selbst auf Giftigkeit testen dürfen und diese Studien dann bei den verantwortlichen Behörden einreichen. Hat die 2007 erlassene EU-Chemikalienverordnung Reach diese Entwicklung noch beschleunigt?
Das weiß ich nicht, aber es spielt sicher eine große Rolle, dass die Nationalstaaten in dieser Richtung sparen – zum Beispiel bei landwirtschaftlichen Versuchsanstalten oder dem Umweltbundesamt. Früher haben die selbst getestet, heute ist die Industrie in die Bresche gesprungen. Übrigens in ganz Europa. Jetzt schicken Firmen, die eine Zulassung beantragen ihre Studien an die Behörden, sagen: Hier, wir haben das gut getestet, schaut es euch mal an. Das ist, wie wenn ich mit meinem Auto zum TÜV fahre und sage: Macht mir die Plakette drauf, ich habe zuhause selbst schon alles geprüft.
Mit Ihren Mitarbeitern untersuchen Sie unter anderem die Auswirkungen von Pestiziden auf Bodenorganismen. Was sind die gefährlichsten Stoffe, die in der Landwirtschaft bei der Herstellung von Lebensmitteln zur Anwendung kommen?
Selbst haben wir die Stoffe zwar nicht auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen auf Menschen getestet, aber es gibt zahlreiche Produkte, die im Obst- und Weinbau eingesetzt werden und von denen selbst der Hersteller in der Gebrauchsanweisung schreibt: Dieses Mittel kann vermutlich Krebs erzeugen. Da gibt es Pilzbekämpfungsmittel wie Folpet oder Captan zur Bekämpfung von Mehltau, Schorf oder Lagerfäule. Dass diese Mittel eingesetzt werden, ist unglaublich und für mich völlig unverständlich.
Dabei ist die Lebensmittelproduktion doch strengstens überwacht.
Ja, aber nur am Endprodukt wird geprüft, was noch an Reststoffen vorhanden ist – und das ist relativ wenig. Die Apfelsaison dauert von März bis September von der Blüte bis zur Ernte, während dieser Zeit werden im Schnitt 30 verschiedene Pestizide aufgebracht. Natürlich ist am Ende nur noch ein Bruchteil davon da. Aber die Leute, die damit hantieren, rennen nicht mit Gasmasken herum, sind relativ schlecht geschützt. Und dann kann es doch nicht sein, dass krebserregende Stoffe ausgebracht werden.
Bei französischen Landwirten sind durch Pflanzenschutzmittel verursachte Parkinson-Erkrankungen seit 2012 als Berufskrankheit anerkannt, auch in Deutschland laufen Prüfungen der Bundesregierung. Ist das gerechtfertigt?
Es gibt offenbar schon ein paar positive Bescheide auch für Deutschland, zum Beispiel bei Gärtnern. Auch sie sind oft großen Mengen an Pestiziden ausgesetzt, der Nachweis der Schädlichkeit wurde erbracht. Gefährlich ist auch, dass nicht einzelne Mittel eingesetzt werden, sondern Kombinationen. Davon gibt es hunderte. Es wird zwar immer wieder argumentiert, dass Pestizide ähnlich gut getestet werden wie Medikamente. Aber in der Apotheke würde ich auch nicht 15 verschiedene Tabletten bekommen, weil es da viel zu viele Kreuzwirkungen geben könnte.
Gibt es auch Fehler beim Einsatz der Mittel?
Es gibt zum Teil eine massive Abdrift von Pestiziden. Schon aus Zeitgründen kann man nicht nur bei Windstille sprühen. Und es reicht schon ein bisschen Wind, um die Stoffe kilometerweit zu verteilen – bis in Privatgärten und Häuser. Dieses Jahr haben wir in Südtirol Studien auf Kinderspielplätzen durchgeführt und zwölf verschiedene Pestizide gefunden. 90 Prozent davon waren hormonell wirksame Stoffe. Gerade dafür sind Grenzwerte irrelevant, denn schon die geringsten Mengen reichen aus, um die Synapsen zu besetzen und die Wirkung beim Menschen auszulösen. Da hilft es auch nicht zu sagen: Alles okay, weil wir ja unterhalb der Grenzwerte sind.
Auch im Bio-Landbau sind Pflanzenspritzungen zugelassen, beispielsweise mit Kupfer. Wie schädlich ist das?
Kupfer ist ehrlicherweise die Archillesferse beim Biolandbau, denn dieses Schwermetall reichert sich im Boden an – auch wenn Studien zeigen, dass Bodenorganismen wie Regenwürmer dadurch offenbar nicht geschädigt werden. Allerdings spritzen mittlerweile auch konventionelle Landwirte sehr viel Kupfer, weil es gegen die synthetischen Pestizide sehr viele Resistenzen gibt. Da gibt es strenge Regeln, maximal drei Kilo pro Hektar, also 0,3 g pro Quadratmeter. Viele verwenden weit weniger und es gibt sogar Bioverbände, die Kupfer verbieten.
Wie viele Pestizide werden denn aus rein kosmetischen Gründen eingesetzt, weil der Verbraucher schönes, makelloses Obst haben will?
Genaue Zahlen kann ich da nicht nennen, schätze aber deren Anteil auf 20 bis 30 Prozent. Mit ein bisschen Aufklärung wäre schon viel getan: Ein Apfel, der ein paar Schorfflecken hat, ist nicht gesundheitsschädlich, sieht aber nicht ganz so schön aus – ist dafür aber fünfmal weniger gespritzt. Man muss dazu aber nicht nur die Verbraucher überzeugen, sondern auch die Lebensmittelketten, die den Landwirten ihre Produkte abnehmen.
Insektensterben ist derzeit ein großes Thema. Meinen Sie, dass in Sachen Umweltschutz und Pestizideinsatz ein Umdenken stattfindet?
Ich denke, dass es da mittlerweile eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema gibt. Es geht ja nicht nur um Insektensterben, sondern insgesamt um Artensterben, zum Beispiel auch den Rückgang von Vögeln oder Fledermäusen. Bis jetzt werden die Strukturen aber immer größer und Flächen, die nicht bewirtschaftet werden wie Hecken oder Wegraine werden immer weniger. Doch gerade darin leben viele Nützlinge, die helfen, die Schädlinge in Schach zu halten. Außerdem kommt als einer der Gründe für das Artensterben immer wieder die pestizidintensive Landwirtschaft ins Spiel. Ich bekomme viele Zuschriften und Anrufe, wo mir Leute ihr Leid klagen und hoffen, dass sich endlich etwas verändert.
Ihre Aussagen dürften Pestizidherstellern und vielen Landwirten nicht passen, auch Verbraucher könnten Ihnen Panikmache vorwerfen. Wie reagieren Sie?
„Panikmache“ und „Verunsicherung der Menschen“ sind Vorwürfe, die mir oft gemacht werden. Andere bezeichnen mich als „Bauernschreck“. Dabei schreibe ich in meinem Buch schon im Vorwort, dass ich mir Sorgen um die Bauern mache. Denn sie sind als erste davon betroffen und wissen oft gar nicht, mit welchen Mitteln sie da hantieren. Da gibt es oft blinden Glauben an die Beratungsinstitute. Ich habe auch Verständnis für die Wut der Bauern, denen jahrzehntelang zum Einsatz der Pestizide geraten wurde – und jetzt bekommen sie den schwarzen Peter zugeschoben und sollen für alles Mögliche verantwortlich gemacht werden. Ich fürchte, dass sie – wenn es hart auf hart kommt – am Ende ganz allein dastehen.
Welche Rolle spielt dabei ein Verbraucher, der hauptsächlich auf den Preis schaut?
Die Preise, die wir im Moment haben, sind einfach nicht ehrlich. Denn ökologische Folgekosten oder Gesundheitskosten sind ja noch gar nicht eingepreist. Man denke nur an die Aufbereitung von durch Pestizide oder Nitrat verunreinigtem Trinkwasser, das die Allgemeinheit tragen muss. Wenn man auf Dünger oder Pestizide eine Sondersteuer einführen würde, würden die Preise ganz anders aussehen. Und Produkte, die umweltfreundlich hergestellt werden, wären günstiger als konventionell hergestellte.
Das hieße aber, schätzungsweise 80 Prozent der Landwirtschaft völlig umzukrempeln.
Es sind in Deutschland sogar 90 Prozent. Dass es wie bisher nicht weitergehen kann, wissen selbst die konservativsten Landwirtschaftskreise. Die Landwirtschaft hängt komplett am Tropf von Förderungen und muss sich dafür ständig rechtfertigen – während es gleichzeitig so viele Umweltprobleme gibt. Immer größer und intensiver geht irgendwann nicht mehr. Zumindest für Österreich bin ich überzeugt, dass wir nicht mit dem Weltmarkt mithalten können. Also warum nicht über Alternativen nachdenken, zum Beispiel eine Qualitätsoffensive? Nur so kommen die Landwirte aus ihrem Hamsterrad heraus.
Gibt es dazu überhaupt eine Bereitschaft?
Vor einigen Tagen war ich in Oberbayern, habe ein Agrarbündnis in Traunstein besucht. Das sind Revoluzzertypen, die bereits jetzt viel anders machen. Die gern auf Förderung verzichten, wenn es dafür sichere Produktpreise gibt. Und froh sind sich nicht dauernd rechtfertigen müssen. Die vermarkten ihre Produkte regional. Wenn man so etwas sieht, schöpft man wieder Hoffnung für die Zukunft. Ich bin optimistisch, dass sich da mehr tun wird, aber es braucht einen langen Atem. Als Ökologe sehe ich das Gesamtsystem, also nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch den Klimawandel und auch die Zivilgesellschaft, die sich jetzt regt. Man denke an das Volksbegehren in Bayern Anfang 2019 mit 1,8 Millionen Unterschriften innerhalb nur zweier Wochen. Das macht unglaublich Mut und zeigt, dass viele Menschen wollen, dass sich etwas ändert.
Ganz riesig freuen wir uns, daß es gelungen ist, Dr. Vandana Shiva zu einem Vortrag zu gewinnen. Diese Kämpferin hat schon so Vieles bewirkt, wahrscheinlich ohne dass die Menschen davon wissen. 2003 hab ich den Film „Leben ausser Kontrolle- von Genfood und Designerbabies“ gesehen, indem die Gentechnik und die Probleme, die von ihr ausgehen, genauer beleuchtet werden.
Ihr Projekt Navdanya ist eine in Indien ansässige Nichtregierungsorganisation, die den Erhalt der biologischen Vielfalt, die biologische Vielfalt, den ökologischen Landbau, die Rechte der Landwirte und den Prozess der Einsparung von Saatgut fördert.
„Alle Menschen haben es in der Hand, den Lauf der Welt zu ändern.“
Mit dieser motivierenden, aber auch herausfordernden Botschaft will die weltbekannte indische Physikerin und Aktivistin Dr. Vandana Shiva zum zivilen Ungehorsam anstiften: Ungehorsam gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur durch multinationale Konzerne, Ungehorsam gegen die Feinde der Demokratie, Ungehorsam gegen den globalen Kapitalismus, der einem Großteil der Welt wie ein unumstößliches Gesetz erscheint.Seit Jahrzehnten setzt sich die Trägerin des alternativen Nobelpreises im gewaltfreien Widerstand für Ernährungssouveränität und nachhaltige Landwirtschaft ein.
„Wir müssen den Menschen klarmachen, dass die gleichen Pestizide die Bienen und Schmetterlinge umbringen, auch Bauern und Verbraucher krank machen. Durch diese Krankheiten entstehen Kosten, die wir als Gesellschaft tragen müssen. Wenn man das verstanden hat, wird klar, dass wir uns eine chemische Landwirtschaft nicht mehr erlauben können.“
Am Sonntag, den 19.1.20 hatten Sie die einmalige Gelegenheit ab 20 Uhr einen inspirierenden Vortrag im Bürgerzentrum in 63820 Elsenfeld zu hören.
Im Anschluss an den Vortrag von Vandana Shiva erörterten folgende Agrarexperten mit Ihr in einer Podiumsdiskussion mögliche Lösungen:
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein (Vorsitzender des BÖLW, Bio-Landwirt):
„Damit das klar gesagt ist: es geht nicht um Schuldzuweisung an Bauern. Es geht darum, dass wir auch in der Landwirtschaft Wege finden, naturverträglich zu wirtschaften – und zwar schnell, denn auch unsere eigenen Produktionsvoraussetzungen stehen auf dem Spiel“
Harald Ebner (MdB, Sprecher der Grünen für Waldpolitik, Gentechnik und Bioökonomiepolitik):
„Angesichts von Biodiversitäts-, Klima- und Nitratkrise muss die Landwirtschaft dringend insgesamt ökologischer werden – und zugleich ökonomisch auskömmlich sein. Bäuerinnen & Bauern müssen deshalb für Umweltleistungen statt für Flächenbesitz honoriert werden!“
Bernward Geier (Bio-Pionier, Moderator des Abends; www.colabora-together.de):
„Vandana Shiva mit ihrem Charisma & ihrer Passion live zu erleben ist ein unvergessliches Erlebnis!Lassen sie sich informieren, inspirieren & motivieren!“
Der Eintritt war frei.
Es gab einen Büchertisch, unter anderem mit Vandana´s neuestem Buch „Eine andere Welt ist möglich – Aufforderung zum zivilen Ungehorsam“, das Sie sich auch signieren lassen konnten. Auch gab es verschiedene Infostände und einen Saatgutverkauf .
Ausserdem zeigten wir im Vorfeld im Kino „Passage“ in 63906 Erlenbach den neuen Film „Unser Saatgut“ mit Vandana Shiva.
Ausserdem werden wir den Landwirt Josef Niedermaier aus Friedberg-Ottmaring einladen, um den Landwirten alternative Möglichkeiten aufzuzeigen.
Viele Besucher beim Samenfest in Amorbach
Rundum gelungen war das 2. Samenfest des Aktionsbündnisses Giftfrei im 3Ländereck e.V., das am Sonntag, den 17.2. im Pfarrsaal in Amorbach stattfand. Die vielen interessierten Besucher konnten, ausser Saatgut zu tauschen oder zu kaufen, auch gemütlich bei Kaffee und Kuchen zusammensitzen und sich austauschen oder aber auch Nistkästen für Vögel bzw. Insekten und „Saatgutbomben“ basteln – ein Angebot, das nicht nur von den Kindern genutzt wurde. Auch gab es eine Gemälde-Ausstellung von Raoul H. France und seiner Frau über das Edaphone (Bodenleben) und es wurde auf einem großen Tisch verschiedenes Wurzelgemüse, das nicht jeder kannte, präsentiert, unter Anderem Zuckerwurzel, Oca, Yacon, Lichtwurzel und Basellkartoffel. Am gut bestückten Tauschtisch gab es regen Andrang, auch die Saatgutanbieter waren alle zufrieden. Mit dabei waren die Bioland-Gärtnerei Haas aus Wertheim, Gaby Krautkrämer mit ihrem Bio-Saatgut aus Frickenhausen, Friedmunt Sonnemann von Dreschflegel-Biosaatgut, die Regenbogenschmiede aus dem Hundsrück, der Biohof Klein aus Sachsenhausen mit seinen Lupinenprodukten, wie Kaffee oder Falafel und dem Natur- und Erlebnisgarten „Bienenweide“ aus Walldürn-Rippberg.
In den Nutzgärten unserer Urgroßeltern wuchsen Kulturpflanzen in einer großen Sorten-Vielfalt – über Generationen weitergereicht und gehütet wie ein Schatz. Saatgut und Garten waren Lebensgrundlage und sicherten das Überleben für die ganze Familie, somit auch für eine intakte Umwelt mit geschlossener Nahrungskette und großem Artenreichtum.
Das Saatgut für das folgende Jahr wurde selbst gewonnen und die neue Pflanzen-Generation in eigenen Töpfen herangezogen. Es entwickelten sich Sorten mit besonderen Eigenschaften, die sich an die jeweiligen Standortbedingungen anpassen konnten (Regionalsorten). Saatgut wurde mit Nachbarn und Freunden getauscht. Kulturpflanzen wurden von Generation zu Generation weitergegeben, wodurch deren Erhaltung gesichert war. Eine riesige Sortenvielfalt entstand so, durch die Hände unserer Ahnen, über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg.
Zu Zeiten unserer Urgroßeltern gab es noch eine reiche Nutz- und Zierpflanzenvielfalt in all den gepflegten Hausgärten. Viele dieser Pflanzen, die man heute vergebens sucht, erfüllten beide Charaktere und waren Nutz- und Zierpflanze zugleich, z. B Haferwurzel, Schwarzwurzel, Schinkenwurzel, Rapunzel-Glockenblume, Lein, Mohn, Tabak, Melde, um nur Einige zu nennen.
Die Grenzen zwischen Nutzpflanzen und Zierpflanzen sind jedoch sehr vage und liegen jeweils im Ermessen des Betrachters. Letzten Endes sind diese Grenzen nur Produkte unserer Phantasie. Manche Pflanzen werden uns wiederum über die Hintertüre nützlich, denn wenn man auch im kommenden Frühjahr wieder Bestäuber haben möchte, so brauchen Diese bis in den Herbst hinein ein reiches Nahrungsangebot für vitale Völker, bzw. Königinnen (Hummeln und andere Solitärinsekten). Auch die natürlichen Gegenspieler der Schadinsekten profitierten vom damaligen Artenreichtum an Wildpflanzen. Andere Pflanzen wiederum fanden und finden Verwendung als Heil- und Würzkraut.
Heute – gerade einmal 100 Jahre später – sind bereits 75% unserer Kulturpflanzen verloren gegangen – so die Aussage der Welternährungsorganisation FAO. Die lokalen Sorten – das so lange und gut gehegte Erbe und Kulturgut unserer Vorfahren – ist aus unseren Gärten oft unwiederbringlich verschwunden. Die alten Sorten überzeugten durch ihren Geschmack, durch ihre Robustheit oder durch ihre Standorteigenschaften, die sich über mehrere Pflanzengenerationen hinweg, an die örtlichen Gegebenheiten anpassen konnten. So manch einer erinnert sich vielleicht noch an das saftig, vollreife Geschmackserlebnis der Tomaten aus Großmutters Garten oder an die süße Frische der Karotten. An den Salat, den man voller Vorfreude auf dem Teller erwartete oder an die gelben Kartoffeln mit ihrem nussigen Aroma oder sogar blaufleischigen Kartoffeln, wie z. B. die früher vermehrt kultivierte Regionalsorte „Odenwälder Blaue “.
Riesige Konzerne beherrschen heutzutage das globale Saatgutgeschäft. Ein kompliziertes Geflecht aus Wirtschaftsunternehmen und Politik, schreibt uns mittlerweile vor, was auf unseren Feldern angebaut werden darf und letztendlich auf unseren Tellern landet. Der Gemüsebauer nebenan darf nicht jedes beliebige Samenkorn in den Boden einbringen, sondern nur jene, die eine Zulassung besitzen und durch das zuständige Sortenamt freigegeben wurden. Der gewerbliche Anbau einer nicht zugelassenen, historischen Gemüsesorte aus Omas Garten und deren Verkauf zum Verzehr, stellt sogar eine Straftat dar!
Fast 70% des globalen Saatgutmarktes werden von gerade einmal 10 Unternehmen gesteuert. In jedem Supermarkt und in jedem Baumarkt finden wir die Produkte der großen Konzerne. Billige Saatguttütchen umwerben uns mit bunten Bildchen und versprechen uns ein erfolgreiches Gärtnern mit wundervollen Sorten-Eigenschaften. Die Bezeichnungen F1 und Hybrid sind kleingedruckt darauf zu lesen. Selbst bei Bio-Saatgut kommen F1-Hybriden zum Einsatz. Kaum ein neuzeitlicher Hobbygärtner macht sich darüber Gedanken. Doch solch ein Saatgut ist nicht samenfest, wodurch eine Saatgutgewinnung zum Nachbau der Sorte unmöglich wird. Die Eigenschaften der Hybridsorten kommen lediglich in der ersten Generation zum Tragen. Jedes Jahr aufs Neue muss nun künftig dieses Hybrid-Saatgut käuflich erworben werden, um diese Sorte in seinem Garten wachsen zu lassen. Jedes Jahr aufs Neue erhält der Saatgutkonzern hierfür sein Geld. Eine gnadenlose Abhängigkeit zwischen Gärtner und Hersteller – aber ein überaus erfolgreiches Geschäftsmodell. Die Saatguthersteller haben sich schleichend in unseren Gärten breitgemacht, ihre Füße auf unseren Grund und Boden gesetzt und einen großen Teil der historischen Kultursorten verdrängt.
Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, die Ägypter wollten die Pyramiden von Gizeh abreissen oder die Chinesen ihre Mauer. Einen Aufschrei des Entsetzens würde das weltweit zur Folge haben, verbunden mit der Forderung diese Weltkulturstätten der Nachwelt zu erhalten. Wegen der vielen Pflanzenarten, die über Jahrtausende kultiviert wurden und heute modernen Hybridsorten weichen müssen, kräht fast kein Hahn.
Sogar Patente auf natürlich vorkommende Gensequenzen werden mittlerweile von Unternehmen in einzelnen Ländern angemeldet. Die alleinige Entdeckung von natürlichen Genkombinationen wird als geistiges Eigentum Einzelner angesehen und als Erfindung patentiert. Das ist ein Monopol auf eine Pflanze, auf deren Saatgut und Kreuzungen, sowie auf daraus gewonnenen Rohstoffen und Produkten – ein Monopol auf Leben! Der Handel mit dem Saatgut wird in den jeweiligen Ländern kontrolliert und der Markt bestimmt. Landwirte und Züchter dürfen mit dem patentierten Saatgut nicht mehr arbeiten oder werden dafür zur Kasse gebeten. Politik und Gesetze öffnen selbst in der EU, für solche Patente auf Leben, Tür und Tor. Das ist Bio-Piraterie. Es gleicht dem Abstecken von Claims während des Goldrausches. Claims in Form von Gensequenzen. Patente versprechen Kontrolle und Macht, in der Hoffnung zukünftig das Monopol über wertvolle Ressourcen in der Tasche zu haben – mit noch nicht absehbaren Folgen für uns alle. Und das ist erst der Anfang!
Doch noch liegt es an uns und an jedem Einzelnen, ob er das Spiel der Großen weiterhin mitspielen möchte und bedenkenlos die bunten Samentütchen in seinen Einkaufswagen packt. Denn noch haben wir Zugriff auf alte, historische, samenfeste Nutzpflanzen. Engagierte Privatpersonen, Vereine und Organisationen setzen alles daran, die verbliebenen alten Sorten zu sammeln, zu vermehren und allen Interessierten zugänglich zu machen. Denn Saatgut in all seiner Vielfalt besitzt einen unschätzbaren Wert. Auch neue samenfeste Züchtungen werden nun schon über viele Jahre kultiviert und offiziell zugelassen, sobald diese den Vorschriften des Sortenamtes standhalten können. Jeder der diese Sorten künftig anbaut, soll auch die Möglichkeit haben, sein eigenes Saatgut für die nächste Generation zu gewinnen um dadurch ein Stück weit unabhängig zu bleiben. Saatgut muss leben, das heißt angebaut werden, um sich immer wieder neu anzupassen und diese Informationen an ihre Nachkommen weiterzugeben. Tiefkühlen in Saatgutbanken ist nur unzureichend erfolgversprechend, denn lebende Organismen müssen sich immer mit ihrer Umwelt austauschen und sich weiterentwickeln können. Ein Neandertaler würde wahrscheinlich ein Problem mit seinem Immunsystem bekommen und krank werden, würde man ihn heutzutage auftauen und zum Leben erwecken.
Mittlerweile hat sich sogar eine regelrechte Saatgutbewegung und Kulturpflanzenrettung entwickelt. Immer mehr Saatgutfestivals, sowie Tauschbörsen für Saatgut und Pflanzen werden in Deutschland ins Leben gerufen. Und es kann gar nicht genug geben! Alte Sorten können erworben oder eingetauscht werden.
- Am Montag, den 7.10.19 um 19,30 Uhr hat Prof. Dr. Matthias Liess vom Helmholtzinstitut in Leipzig im Johannes-Butzbach-Gymnasium in Miltenberg einen Vortrag gehalten. Herr Liess wurde uns von Felix Prinz zu Löwenstein (Bund ökologischer Landwirtschaft) empfohlen, den wir eigentlich einladen wollten. Dieser meinte, er wird gerne irgendwann kommen, aber zunächst sollten wir unbedingt Professor Liess einladen. Dieser wurde letztes Jahr von den Grünen eingeladen vor dem PEST-Ausschuss des Europa-Parlamentes zu sprechen. Dieser Vortrag und auch der von Prof. Zaller wurden vom Umweltbundesamt schon gelöscht. Hier ein Artikel von 2016: Umweltstress verstärkt die Wirkung von Schadstoffen